25.2.06

Das wichtigste: Das Essen...

"die meisten Menschen
wollen nicht in Dortmund leben, sondern essen."
aus Rio Reiser, "Alles Lüge"

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wieviele soziale Regeln sich um das Essen ranken?
Neulich hörte ich dazu im Deutschlandfunk einen kurzen Beitrag. Beispiele hierfür waren:

- Wer darf mit dem Essen beginnen?
- Wer teilt das Essen aus?
- Wer darf das Essen portionieren?
- Wie verhalte ich mich bei Tisch?
- Wer hat beim Anschneiden der Hochzeitstorte die Hand oben?

Ich fand es erstaunlich, wie hoch anscheinend die Verteilung und Vertilgung von Nahrungsmittel im sozialen Normgefüge für Menschen angesiedelt ist.

Nun steht aber über diesem Blog als Untertitel etwas über den Alltag eines Frachtfliegers, somit sollte ich mal wieder zum Thema kommen:

Einer der von mir meistgehörtesten Sätze seitens des Kabinenpersonals während meiner sich dem Ende zuneigenden Passagezeit war:
"Wenn Du dann auf die Fracht gehst, dann kriegst Du ja gar nichts mehr zu Essen...".

Es scheint somit zu den unauslöschlichen Vorurteilen zu gehören, daß Frachterpiloten sich üblicherweise Ihre Brötchen vor Flugantritt selber mitbringen und ansonsten in jedem Flughafen den McDonald ausrauben (Nicht umsonst fand ich im Internet in einer Liste neben vielen anderen schönen Charakterisierungen folgendes: "You are a freighterdog, if the FBO locks away the popcorn maschine, because you think it is a decent meal...").

Ich musste also die mehr oder minder hochgeschätzten "Business-Semeln" der Kurzstrecke hinter mir lassen und mich in das Unbekannte stürzen.

Auf meinem ersten Flug entdeckte ich noch beim Zugehen auf das Flugzeug zu meinem Erstaunen ein angedocktes Cateringfahrzeug. Es musste also doch etwas geben.

In der Galley fand ich dann für jedes Besatzungsmitglied ein komplettes Langstrecken-Business-Tablett mit warmer Hauptspeise und für alle genug Obst, belegte Brötchen (da waren sie wieder....;-)), Schwarzbrot und allerlei sonstige Annehmlichkeiten (insbeondere die wirklich lecker Bitterschokolade in Kombination mit dem ebenfalls beladenen Kakao macht meiner Waage doch langsam zu schaffen... Auch die in helvtischen Landen durchaus beliebte Toblerone befindet sich im Standardsortiment...).

Auf dem Weg in arabische Gefilde ließ sich so oberhalb der Türkei einfach herrlich schlemmen!

In Arabien angekommen wurde uns dann während der Flugnachbereitung ein Zettel ins Cockpit gereicht. Ich nahm zuerst an, daß es sich hierbei um eines der unzähligen, mit der Reiseorganisation in der Fliegerei anscheinend untrennbar verbundenen, Formulare handelte (Gutschein für die Hotelübernachtung, Zollerklärung in 47facher Ausfertigung, Einreisekarten, auf denen neben Geburtsdatum, Haarfarbe, Gewicht, Schuhgröße auch das Datum des letzten vorehelichen Beischlafes zu vermerken ist und ähnliche alltägliche Absonderlichkeiten...).

Daher nahm ich diesen Zettel erst wahr, als mein Ausbildungskapitän ihn mir direkt unter die Nase hielt und mich zu beschleunigter Bearbeitung desselben mit den Worten anhielt "Das ist wirklich wichtig!".

Nun erkannte ich, daß es sich um eine Art Tabelle handelte:
In der äußerst linken Spalte waren alle möglichen Leckereien aufgeführt, die die arabisch-libanesische Küche so zu bieten hat.

In der ersten Zeile hingegen waren bereits die Namen der anwesenden Crewmitglieder und unser Weiterflugdatum als Spaltenüberschriften gesetzt.
Ich musste also nur noch ankreuzen, welche kulinarischen Kostbarkeiten ich auf dem Rückflug entdecken wollte!
Einziges Hindernis: Nichts ankreuzen, was mein Kapitän schon angekreuzt hat, schließlich sollen nicht beide an der gleichen Lebensmittelvergiftung sterben.

Hiermit schließt sich dann wieder der Kreis: Auch hier finden die uralten sozialen Regeln über die Essensverteilung und -auswahl im Zusammenhang mit der sozialen Rangfolge ihren modernen Widerhall...;-)

In diesem Sinne: Guten Appetit allerseits!

2 Comments:

Blogger nff said...

Trotzdem glaube ich, dass ich das Wesentliche am Langstreckenfliegen vermissen würde - DIE NESPRESSO MASCHINE!

Mahlzeit wünscht

nff

25/2/06 17:49  
Blogger Alles lacht, hier kommt die Fracht.... said...

Ja, da kann ich in diesem Zusammenhang wirklich nicht mit dienen...(Und wenn ich Ihnen etwas von den Vorteilen des guten Jacobs-Kaffee erzählen würde, so wäre dies vermutlich ähnlich einem Blinden, der einen Modedesigner von den Vorzügen der Farbe braun-pink-kariert überzeugen möchte...;-))

Allzeit einen funktionierenden Kaffee-/Espresso-/Capuccino/Grand Latte-Nachschub wünscht,

Golfox

25/2/06 20:15  

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