28.2.06

Frachtbegleiter und "Passagiere"

Ja, auch auf der Fracht haben wir ab und zu Frachtbegleiter und "Passagiere" dabei.
Hier ist die Spanne der Persönlichkeiten ähnlich breit gefächert und verschieden wie die Art der transportierten Fracht.
Ich erlaube mir, hier mal ein kleine Typologie anzufertigen.


Der Kurier

Meist ein weitgereister schweigsamer ehemaliger Militär in Botschaftsdiensten, der vor allen Dingen eines will: Seine Ruhe!
Diese (meist) Herren spulen in ihren Diensten fast mehr Flugmeilen ab, als ich dies in meinem Leben je tun werde. Oft werden sie auf irgendwelche Endlostrips mit vielen Zwischenlandungen geschickt, so daß bei ihrem Aufenthalt an Bord meist ein eklatantes Schlafdefizit seinen Tribut fordert.


Der/die Pferdebegleiter/-in

"Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde". Ich weiß nicht, von wem dieser Ausspruch stammt, aber die Pferdebegleiter haben ihn anscheinend als Lebensmotto verinnerlicht.

In dieser Begleiterklasse herrscht aber auch die größte Spannbreite vor.
Die angetroffenen Persönlichkeiten reichen vom britischen Stallknecht, dem kaum ein Wort zu entlocken ist und der am liebsten sein mitgebrachtes Essen auspackt bis zur pferdebegeisterten Veterinärmedizinstudentin, die kaum auf die Eigenheiten ihrer Lieblinge angesprochen, mit einem Schwall begeisterter Erzählungen über deren Persönlichkeiten, Macken und Vorlieben hervorbricht (Hierfür habe ich immer, im Gegensatz zu manchem Kapitän, viel Verständnis, schließlich frage ich mich auch oft, wie manche meiner Gesprächspartner meine endlosen Berichte über die Fliegerei aushalten...).


Die Kunstbegleiterin

Bei Versendung besonders wertvoller Sammlungen reist oft eine Begleiterin mit. In vielen Fällen ist dies sogar die Kuratorin der Ausstellung höchstpersönlich.
Als absoluter "Kunst-Laie" sind dies für mich die Gespräche mit dem höchsten "Lernwert".
Ich bewundere in diesem Zusammenhang die immer wieder mir gegenüber gezeigte Geduld dieser Gruppe bezüglich meiner absolut laienhaften Fragen (Wie oft hat eine Kunstbegleiterin wohl schon anderen Leuten erklärt, was am Impressionismus oder einem BeuysKunstwerk das Besondere ist, und trotzdem geht sie freundlich und geduldig und ohnen Augenrollen auf meine Fragen ein...)!


Der Mechaniker

Ab und an müssen wir für Außenstationen ohne technische Betreuung (z. B. bei Charterflügen außerhalb des regulären Liniennetzes) einen Mechaniker mitnehmen.
Dieser ist meist der Ansicht, daß im Cockpit sowieso nur zwei überbezahlte Busfahrer sitzen, die ständig seine Flugzeuge kaputtmachen und ohne ihn ja nun wirklich gar nichts laufen würde...(Naja, das war jetzt etwas viel der Übertreibung. Ich hoffe, die Kollegen der Mechanikergilde mögen mir verzeihen!).
Allerdings sind hier auch viele "Abenteurer" vertreten. Viele haben einige Jahre ihres Lebens auf Posten in der fernen weiten Welt verbracht und können einen Flug mit ihren witzigen und interessanten Geschichten im Nu vergehen lassen!


Der Dienstreisende

Hier gilt es zwei Gruppen zu unterscheiden:
Der gemeine Dienstreisende und der Management-Dienstreisende

Der gemeine Dienstreisende freut sich meist entweder mal in die weite Welt hinauszukommen (z. B. um irgendwelche Inspektionen vor Ort zu machen) oder wieder in die weite Welt zurückzukehren (z. B. der von Afrika begeisterte Stationsleiter, der froh ist, der Welt der Büros in der Zentrale wieder entfliehen zu können und endlich wieder sein eigener Herr und König auf seiner kleinen und netten Station zu sein).
Somit ist die Stimmung meist entspannt und fröhlich und wir versuchen gerne unser Bestes, dieses Publikum bei Laune zu halten.

Der Managementdienstreisende hingegen kommt jedoch oft schon missmutig an Bord. Schließlich muss er jetzt Fracht fliegen, da er seine First-Class-Buchung auf der Passage nicht bekommen hat. Auch sonst steht keine seinem Status angemessen Beförderung zur Verfügung. Es verbleibt also nur als letzter Notnagel, mit der ungeliebten Fracht zu verreisen.

Und zu allem Überfluss wagen es nun auch noch die zwei subalternen Clowns in der Führerkanzel, die ein oder andere seiner in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen und ihm die Auswirkungen derselben in drastischen Farben zu schildern (und in manchen Fällen auch noch praktisch zu demonstrieren, was meist zu einem roten Kopf führt. Ob dieser nun aus Ärger oder Scham rot anläuft, lasse ich mal dahingestellt.)...
Seine Laune bleibt daher, trotz mancher gut gemeinter Aufheiterungsversuche, meist auf Niveau des Flugantrittes.

Pferde

Auch auf der Fracht gibt es auch "Passagiere", allerdings in etwas anderer Art:

Pferde sind m. E. die bisher anspruchvollsten Kunden, die ich in der Fliegerei bisher erlebt habe...;-).
Nicht nur fordern sie im Gegensatz zum normalen Passagier ein extremes Maß an "Beinfreiheit", sie legen auch noch auf ihre Privatsphäre gesteigerten Wert und wünschen deswegen nur den Transport in für sie abgeteilten Ruhezonen (So eine Pferdetransportbox hat schon ganz schön Umfang).

Ebenfalls legen sie hohen Wert auf extrem individuelle Betreuung. Sie fliegen niemals ohne ihren persönlichen Flugbegleiter. Ebenfalls sind sie sehr wählerisch in der Menü-Auswahl (hier kommen dann die "special meals" Hafer, Luzerne etc. zur Anwendung).

Weiterhin weigern sich Pferde konstant, die Anschnallzeichen zu befolgen, weswegen bei Start und Landung nur beutsame Kurven und nur ein konservativer Steig- und Sinkwinkel geflogen werden darf.

Sollten diese Parameter einmal nicht zur Zufriedenheit unserer vierbeinigen Kunden eingehalten werden, so äußern sie ihre Beschwerde in recht drastischer Art und Weise: Mit den Hufen wird einfach gegen die Wand der Transportbox geschlagen, was dann im gesamten Flieger deutlich zu spüren ist.

Lediglich die Behandlung bei zunehmender Renitenz ist bei Pferden einfacher als bei Passagieren: Sie bekommen einfach eine Beruhigungsspritze...

27.2.06

Vogelschlag

Eigentlich sollte ich jetzt auf dem Wege nach Hause sein.
Jedoch erfuhr die Maschine, die ich nach Hause fliegen sollte, im Anflug auf Nairobi einen Vogelschlag.
Der Zusammenstoß ging für den gefiederten Fliegerkameraden leider tödlich aus, allerdings kam auch der fliegende Blechkamerad nicht ohne Blessuren davon:
Zwei Vorflügel trugen erhebliche Beschädigungen davon.
Nun sitze ich im Hotel und warte auf die aus der Heimat gesandten Ersatzteile und Mechaniker.
Vermutlich morgen abend wird es weitergehen.

Mir macht das recht wenig aus: Ich genieße nun ein wenig länger die gütige Sonne Afrikas.

Allerdings ist dies für die Fracht eine mittlere Katastrophe.
Die Tägliche Rotation der Maschine läuft üblicherweise D -> Nairobi -> Johannesburg -> Nairobi -> D.
Und fast immer sind die Maschinen auf dem Rückflug bis zum "Stehkragen" voll.
D. h. die Fracht, die eigentlich mit unserer Maschine fliegen sollte wird im besten Fall auf den nächsten Flieger verladen, falls der aber auch "vollläuft", bleibt der Rest der Fracht erst mal stehen.

Da z. B. aus Nairobi viele verderbliche Güter und aus Johannesburg oft dringend wieder in D benötigte Testwagen verschiedener Automobilhersteller transportiert werden, wird sich die Erbauung darüber in Grenzen halten, daß dem einen die Blumen und das Obst verdirbt, und dem anderen das dringend für den Test daheim benötigte Vorserienmodell fehlt.

Üblicherweise erwartet der Kunde ja nun zurecht, wenn er den nicht unbedingt billigen Weg des Lufttransportes wählt, eine schnelle und zuverlässige Zustellung seines wertvollen Gutes.
Dieser Vorfall wird also sicherlich einige finanzielle Forderungen der Kunden an meinen Brötchengeber nach sich ziehen...

Fazit: Kleiner Vogel, große Wirkung... Oder ein Beispiel wie anfällig ein ansonsten gut funktionierendes, aber doch komplexes, Logistiksystem sein kann.

Abendunternehmungen...

Die Abendunternehmungen auf der Fracht unterscheiden sich meist nicht groß von denen der Passage:

Nach einer abendlichen Ankunft finde ich es schön, zusammen noch irgendwo den Tag ausklingen zu lassen.

Meist findet dies statt in irgendeiner Kneipe/Pub, in dem auch gute Musik gespielt wird, oder manchmal auch in der Hotelbar.

Der Unterschied auf der Fracht ist, daß man nun in wesentlich geringerer Zahl diese Lokalitäten betritt:
War man auf der Kurzstrecke meist zu viert oder fünft, so kommt heute ausschließlich der Kapitän und bei verstärkten Flügen noch der SFO mit.

Meist steht man an der Bar, lässt den Tag Revue passieren und erfreut sich an dem umgebenden Publikum.

Seit meiner Frachtzeit passiert mir dabei mit erschreckender Regelmäßigkeit folgendes:
Oft werde ich an der Theke von irgendwelchen Einheimischen angesprochen, gefragt, was ich hier tue, woher und wohin des Weges und wie mir der Aufenthalt hier in ihrem Land gefalle u. ä..
Auch ich freue mich, über diese Konversation, erhoffe ich mir doch, auf diesem Wege vielleicht ein wenig mehr über Land und Leute zu erfahren, als aus der schnöden Präsentation der Reiseführer oder den Layover-Infos ersichtlich wird.

Nach einigen hin- und herfliegenden Frage und Antworten wird vom gegenüber das Gespräch schnell auf die persönliche Schiene gehoben mit Fragen: "How old are you?"
Es scheint ein internationaler Sport zu sein, sich im Schätzen des Alters des Gegenüber zu ergehen.

Nun aber kommt der Unterschied zur Passage.
Der Rest des Gespräches ist nun bei Damen sehr vorhersehbar:
Dame: "Are you married?"
Ich: "No?? Why are you asking?
Dame: "Oooh, such a beautiful man and not married?"
Spätestens hier werde ich dann aus meiner Naivität aufgeschreckt, schließlich bin ich nicht gerade mit einem Astralkörper gesegnet...

Die dann folgende direkte Aufforderung der Dame, Ihr doch wahlweise ein Bier auszugeben, die Taxifahrt nach Hause zu bezahlen oder direkt mit ihr gegen Gebühr irgendwohin zu verschwinden, versuche ich erst höflich abzulehnen, was meist den Ehrgeiz der Dame noch weiter anstachelt (Anscheinend ist bei den üblichen Kunden ein "Nein, danke." eher als "vielleicht, wenn wir über den Preis verhandeln können..." zu interpretieren).

Schließlich bleibt mir nur noch die - in meiner Sichtweise eigentlich respektloseste und mir widerstrebende - Möglichkeit, die Dame einfach zu ignorieren und hilfesuchend zu meinem Kapitän zu blicken, der aber anscheinenend in ein ähnlich geartetes Gespräch vertieft ist.

Die allerletzte Möglichkeit: Flucht...

Nun stehe ich also an einem andere Platz an der Bar und nuckele friedlich an meinem Feierabendgetränk und schon stürzt sich die nächste Dame auf ihr potentielles Opfer, denn sie hat ja aus sicherer Entfernung die Versuche ihrer Kollegin wohlweislich beobachtet und vermutet nun, daß ich auf den Typ ihrer Kollegin nicht stehe und sie daher den sicherlich angemessenen Ersatz darstellen wird...

Ich flüchte genervt auf mein Zimmer.

In Zeiten der Passage wurden solche Gesprächspartner meistens durch die anwesenden Kolleginnen aus der Kabine abgeschreckt. Diese Abschreckungswirkung vermisse ich wirklich...

Andererseits lassen solche Begebenheiten viele Fragen in mir aufkommen:
Anscheinend ist die Zielgruppe Männer zwischen 30 und 60 wohl sehr klassisch für die Damen des horizontalen Gewerbes.

Auch scheint die Nachfrage nach Geschäften dieser Art nicht gering zu sein, schließlich hauen sich diese Damen sicherlich nicht für Gottes Lohn die Nacht in irgendwelchen Spelunken und Hotelbars um die Ohren?

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich bin nun wirklich kein Moralapostel oder möchte hier irgendeinen Stab über diese Damen brechen, die sicherlich ihrem Geschäft nicht immer ganz freiwillig nachgehen, um es vorsichtig zu formulieren.

Allerdings würde ich wirklich gerne in solchen Situationen meinen Feierabend in Ruhe genießen. Weiß irgendjemand ein probates Rezept, außer mit einem Schild um den Hals den Raum zu betreten á la: "Ich habe übrigens Genitalherpes, kein Geld, bin schwul und möchte einfach nur in R U H E gelassen werden!"?

Was mich jedoch am meisten nervt, ist meine dadurch schwindende Offenheit.
Inzwischen frage ich mich jedesmal, wenn ich in einer Kneipe angesprochen werde, warum? Was will da jemand von mir?

Anstatt wie bisher offen mit Gesprächspartnern zu diskutieren und mich auf einen interessanten Abend zu freuen, blocke ich inzwischen oft das Gespräch recht zeitig ab, bleibe bei Oberflächlichkeiten und verbaue mir damit vielleicht den ein oder anderen interessanten Gesprächsabend. Schade...

25.2.06

Das wichtigste: Das Essen...

"die meisten Menschen
wollen nicht in Dortmund leben, sondern essen."
aus Rio Reiser, "Alles Lüge"

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wieviele soziale Regeln sich um das Essen ranken?
Neulich hörte ich dazu im Deutschlandfunk einen kurzen Beitrag. Beispiele hierfür waren:

- Wer darf mit dem Essen beginnen?
- Wer teilt das Essen aus?
- Wer darf das Essen portionieren?
- Wie verhalte ich mich bei Tisch?
- Wer hat beim Anschneiden der Hochzeitstorte die Hand oben?

Ich fand es erstaunlich, wie hoch anscheinend die Verteilung und Vertilgung von Nahrungsmittel im sozialen Normgefüge für Menschen angesiedelt ist.

Nun steht aber über diesem Blog als Untertitel etwas über den Alltag eines Frachtfliegers, somit sollte ich mal wieder zum Thema kommen:

Einer der von mir meistgehörtesten Sätze seitens des Kabinenpersonals während meiner sich dem Ende zuneigenden Passagezeit war:
"Wenn Du dann auf die Fracht gehst, dann kriegst Du ja gar nichts mehr zu Essen...".

Es scheint somit zu den unauslöschlichen Vorurteilen zu gehören, daß Frachterpiloten sich üblicherweise Ihre Brötchen vor Flugantritt selber mitbringen und ansonsten in jedem Flughafen den McDonald ausrauben (Nicht umsonst fand ich im Internet in einer Liste neben vielen anderen schönen Charakterisierungen folgendes: "You are a freighterdog, if the FBO locks away the popcorn maschine, because you think it is a decent meal...").

Ich musste also die mehr oder minder hochgeschätzten "Business-Semeln" der Kurzstrecke hinter mir lassen und mich in das Unbekannte stürzen.

Auf meinem ersten Flug entdeckte ich noch beim Zugehen auf das Flugzeug zu meinem Erstaunen ein angedocktes Cateringfahrzeug. Es musste also doch etwas geben.

In der Galley fand ich dann für jedes Besatzungsmitglied ein komplettes Langstrecken-Business-Tablett mit warmer Hauptspeise und für alle genug Obst, belegte Brötchen (da waren sie wieder....;-)), Schwarzbrot und allerlei sonstige Annehmlichkeiten (insbeondere die wirklich lecker Bitterschokolade in Kombination mit dem ebenfalls beladenen Kakao macht meiner Waage doch langsam zu schaffen... Auch die in helvtischen Landen durchaus beliebte Toblerone befindet sich im Standardsortiment...).

Auf dem Weg in arabische Gefilde ließ sich so oberhalb der Türkei einfach herrlich schlemmen!

In Arabien angekommen wurde uns dann während der Flugnachbereitung ein Zettel ins Cockpit gereicht. Ich nahm zuerst an, daß es sich hierbei um eines der unzähligen, mit der Reiseorganisation in der Fliegerei anscheinend untrennbar verbundenen, Formulare handelte (Gutschein für die Hotelübernachtung, Zollerklärung in 47facher Ausfertigung, Einreisekarten, auf denen neben Geburtsdatum, Haarfarbe, Gewicht, Schuhgröße auch das Datum des letzten vorehelichen Beischlafes zu vermerken ist und ähnliche alltägliche Absonderlichkeiten...).

Daher nahm ich diesen Zettel erst wahr, als mein Ausbildungskapitän ihn mir direkt unter die Nase hielt und mich zu beschleunigter Bearbeitung desselben mit den Worten anhielt "Das ist wirklich wichtig!".

Nun erkannte ich, daß es sich um eine Art Tabelle handelte:
In der äußerst linken Spalte waren alle möglichen Leckereien aufgeführt, die die arabisch-libanesische Küche so zu bieten hat.

In der ersten Zeile hingegen waren bereits die Namen der anwesenden Crewmitglieder und unser Weiterflugdatum als Spaltenüberschriften gesetzt.
Ich musste also nur noch ankreuzen, welche kulinarischen Kostbarkeiten ich auf dem Rückflug entdecken wollte!
Einziges Hindernis: Nichts ankreuzen, was mein Kapitän schon angekreuzt hat, schließlich sollen nicht beide an der gleichen Lebensmittelvergiftung sterben.

Hiermit schließt sich dann wieder der Kreis: Auch hier finden die uralten sozialen Regeln über die Essensverteilung und -auswahl im Zusammenhang mit der sozialen Rangfolge ihren modernen Widerhall...;-)

In diesem Sinne: Guten Appetit allerseits!

24.2.06

Eine alte Bekannte aus Kindertagen: Wiedergetroffen in Tokio...

Gesehen in einem Laden für deutsche Weine in Tokio... Ich war erstaunt, was es so alles in Tokio gibt.

Polflüge

Einfach ohne Worte...

Layoverinfos

Nach dem Landetraining ging es nun über in das Linientraining bei der Fracht.
Der erste Unterschied zur Passage, der mir gleich bei der Vorbereitung ins Auge fiel, waren die "Layoverinfos"...

Üblicherweise gibt es für jeden Zielort im Streckennetz meines Arbeitgebers eine kleine DIN A5-Blatt-Sammlung mit wissenswertes über die bevorstehende Übernachtung betitelt mit "Layoverinfo".
Darin enthalten sind Dinge wie Hoteladresse, Wege vom und zum Flugzeug, Zoll- und Passvorschriften, Notfalladressen der Station und der Botschaft vor Ort etc..

Neben diesen "streng dienstlichen" Dingen finden sich dort aber auch Informationen und Hinweise im Sinne "von Kollegen für Kollegen":

In den Passage-Infos finden sich hier (ja, ich pflege gerne Vorurteile...) hauptsächlich von den Kabinenkolleginnen erforschte Auskünfte wie:
"Modegeschäft XY in der Z-Straße hat perfekte Schuhauswahl zu günstigen Preisen, nach Hauspreis fragen..."
"Visagistin V macht ganz tolle Gurkenmasken, kommt nach Absprache auch ins Hotel..."

Von allen Crewmitgliedern gleichermaßen geschätzt sind dann Tipps:
"Café sowieso, ABC-Straße, nette Atmosphäre, guter Service und leckerer Kuchen..."
"Restaurant irgendwo, hat auch nach 1 Uhr noch warme Küche, leckere Antipasti..."

In der Cargolayoverinfo für so mondäne Ziele wie z. B. Fairbanks, Alaska hört sich das dann etwa so an:
"Soundso-Steakhouse, Prime Rib nicht unter 500 gramm, viele Trucker, raw atmosphere..."
"Pub an weißnicht Avenue, offen ab 0700 Uhr, gutes Frühstück, Bier ab 0900 Uhr, soll ja auch Leute geben, die das mögen..."

Ich merkte schnell, hier ist alles anscheinend noch etwas bodenständiger...

23.2.06

Wie "bezwingt man eine Diva"???

Nach überstandenem Simulatortraining folgte dann der absolute Höhepunkt der Ausbildung:
Das Landetraining!

Nun werden die Fachleute erstaunt die Nase rümpfen und anmerken, der Simulator sei doch auch soweit zugelassen, daß ein Umstieg auf die Linie auch ohne Landetraining möglich sei?

Allerdings wird die MD11 bei der Cargo recht heftig ausgelastet: Von 117 to (Minimum Flight Weight, wusste bis zur MD11 gar nicht, daß ein Flugzeug auch zu leicht zum Fliegen sein kann...) bis 286 to beim Start und max. 222 to bei der Landung ist hier alles vertreten.
Hinzu kommt, daß der Flieger auch gerne mal bei falscher Behandlung mit dem Heck am Boden kratzt. Somit ist es für die Firma billiger, Ihren Piloten das Landen noch mal auf dem richtigen Flugzeug im richtigen Leben beizubringen, als die evtl. resultierenden Wartungskosten eines abgeschliffenen Hecks in Kauf zu nehmen (Daß das Landetraining auch noch sauviel Spaß macht, sollte man den Kaufleuten lieber nicht erzählen, sonst muss ich noch Vergnügungssteuer nachzahlen...).

Das recht unterschiedliche Gewicht und die bei der Fracht stark variierenden Schwerpunktlagen erschweren eine einheitliche Landetechnik.

Hinzu kam noch etwas, was meiner bisherigen "Erfahrung" völlig zuwiderlief:

Ich sollte bei der Landung drücken!!!

(Wer sich jetzt einen mit geburtswehenähnlichen Krämpfen auf den Sitz gefesselten Copilot vorstellt, liegt falsch: Gemeint ist die Bewegung des Höhensteuers...)

Üblicherweise herrscht bei "normalen" Flugzeugen auch eine normale Landetechnik vor:
Das Flugzeug wird in einem konstanten Winkel in Richtung Boden geflogen.
Kurz vor dem Aufsetzen wird durch Ziehen am Höhenruder die Flugzeugnase angehoben und damit der Winkel zwischen Flugbahn und Boden verringert (tut man dies nicht, kommt es zum "Einschlag" und Passagierkommentaren á la: "Did we land or were we shot down" und vom Kabinenpersonal hagelt es Beschwerden und Kaffeeverbot.... Gut, daß ich jetzt Fracht fliege und Kakaotrinker bin....;-)).

Bei der MD11 kommt jedoch ein Problem hinzu: Das Hauptfahrwerk sitzt recht weit hinter dem aerodynamischen Drehpunkt des Flugzeuges. Wird also bei der MD11 die Nase in Bodennähe durch Ziehen am Höhenruder angehoben, so rotiert das Hauptfahrwerk mit einem kräftigen "Rummss" in die Piste hinein... Nicht schön...

Also heisst es: weit genug über dem Boden zu ziehen und dann kurz vor dem Aufsetzen etwas zu drücken... Das ist diametral der Landetechnik von allen Flugzeugen, die ich vorher geflogen bin, entegegengesetzt, also extrem ungewohnt.

Soviel zur Theorie hinter dem Landetraining; die Praxis sah dann so aus:

Gegen späten Vormittag sammelten wir uns zu viert plus Instruktor zur Abfahrt nach Karlsruhe-Baden (einer dieser Flugplätze mit langer Landebahn und wenig Verkehr, die sich somit ideal für Landetrainings eignen).
Der Rest der Truppe war schon mit dem Flieger vorausgeeilt (es gibt halt nur max. sechs Sitze im Frachtflieger, vier im Cockpit und zwei Fracht- und Pferdebegleitersitze).

Kurz nach dem Verlassen der Autobahn sahen wir schon die MD11 ihre Runden über dem Flugplatz drehen. Zur letzten Stärkung machten wir noch bei einer örtlichen Metzgerei halt und sobald wir aus dem Auslagenfenster sahen, daß keine Runde mehr erfolgte, fuhren wir die letzten Meter zum Flugplatz.

Hier trafen wir unter großem Hallo die anderen drei "Delinquenten" aus unserer Truppe, die bereits alle wie Honigkuchenpferde strahlten (Wie heisst es immer so schön: "Small boys, small toys; big boys, big toys!").

Nun ging es auch für uns zur Sache: Einsteigen und für mich als bisherigen Kurzstreckenknecht wurde schon das Rollen zu einem Erlebnis.

Die MD11 bietet aus dem Cokpit mit ihren riesigen Scheiben einen wunderbaren Panorama-Blick.
Das Cockpit stammt aus der DC10 und war ursprünglich noch für einen Flugingenieur ausgelegt. Dadurch ist jetzt soviel Platz darin, daß ich es - als vorher in der Kanzel einer B737 eingepferchter Kurzstreckenknecht - fast als "Wohnzimmer" bezeichnen möchte.

Beim Aufrollen auf die Bahn wird mir dann auch die Länge des Flugzeuges bewusst:
Beim Eindrehen in Bahnrichtung schwebt das Cockpit kurzzeitig über dem Grasstreifen (das Frontfahrwerk liegt mehr als vier Meter hinter der Kanzel).

Dann geht alles viel zu schnell:
Gas geben, abheben, in Platzrundenhöhe stabilisieren und schon zieht die Rennstrecke von Baden-Baden unter uns hindurch, der Punkt um zur Landung einzudrehen...
Belohnt wird man mit einer wunderschönen Aussicht auf den Rheingraben.
Nun zählts, Flieger schön stabilisieren (leider gar nicht so einfach, wenn die Mittagsthermik den Flieger kräftig durchschüttelt; bisher wünschte ich mir als Segelflieger nichts mehr als die Thermik, aber in diesem Moment kann ich sie gerade gar nicht gebrauchen...).
In 50 ft Gas rausnehmen, in 30 ft Ziehen und in 10 ft D R Ü C K E N, oh man, wie mir das widerstrebt.... Geschafft!!! Uff, und noch zweimal, dann ist es leider schon wieder vorbei.

Im Gegenanflug wird der Sitz gewechselt und nun darf ich die Künste meiner Kollegen bewundern.

Nach vielen Runden wird nochmal kurz getankt und dann geht es auch schon zurück mit dem Flieger nach Frankfurt. Die Stimmung ist heiter und ausgelassen an Bord.
Vom Flughafen geht es gleich zu den restlichem Kollegen, die in einer netten Apfelweinkneipe zur Feier des Tages schon mal einen "Bembel" bestellt haben.
Bis in die frühen Morgenstunden wurde noch eifrig die Bezwingung der "Diva" gefeiert...!

Die Wandlung zum "Freighterdog"

Die Umschulung auf die MD11 ging ganz normal los, wie auch die Schulung auf die 737 ursprünglich begann:

Alle Teilnehmer versammelten sich in einem Lehrsaal...

Damit fing mein Problem an: Es war Juni, es war warm, und am Himmel standen die feinsten Cumulus-Wolken, die man sich vorstellen kann
(Für einen ursprünglich aus dem Segelflug kommenden ist dies so ziemlich die Horrorvorstellung:
Während da draußen selbstverständlich alles, was Flügel und keinen Motor hat, für Stunden in der Luft blieb, durfte ich mir freundliche Willkommensreden anhören... Ich mache nie mehr ein Type-Rating im Sommer!!!).

Doch irgendwann siegte die Vorfreude auf das Neue und die weite Welt!

Nach drei Tagen Theorie ging es dann gleich in den Simulator:
Das war für mich als eingefleischter Boeing-Flieger erst mal etwas ganz Neues;
war ich es doch von der Boeing gewöhnt, erstmal für zwei Wochen ausführlich den theoretischen Hintergrund meines Flugzeuges kennenzulernen, um mich dann ganz auf die Fliegerei im Simulator zu konzentrieren.

Bei der MD11 hatte man sich in der Trainingsabteilung jedoch das "Integrated Type Rating" von Airbus abgeschaut.
Dies bedeutete, am Tag vorher durfte ich mir mittels eines Computerprogrammes die theoretischen Grundlagen der jeweils folgenden Simulatorschicht ansehen, um dies dann am nächsten Tag praktisch anzuwenden.

Beide Ansätze haben m. E. Vor- und Nachteile: Größere Übersicht über die Gesamtzusammenhänge steht einem besseren Verständnis durch direkte praktische Anwendung gegenüber.

Im Simulator waren wir dann zu fünft jeweils zwei Zweierteams bestehend aus "Schülern" und ein Checker bzw. Trainings-FO ("Lehrer").
Der Ablauf war immer:
1 h Briefing
2 h Simulator für Team 1, während Team 2 sich die Zeit anderweitig vertreibt.
2 h Simulator für Team 2, während Team 1 s. o....
1 h Debriefing

Somit gab es für jedes Team immer jeden Tag mind. zwei Stunden zu überbrücken:
Anfangs gingen wir noch zum Lernen in den sogenannten "Papiertiger" (das ist ein aus Instrumentenphotos bestehender Nachbau des MD11-Cockpits, wo man einfach auswendig zu lernenden Verfahren "bimsen" kann, auch "Griffe klopfen" genannt...).

Dann entdeckten wir jedoch den Asia-Imbiss vor der Ankunftshalle des Flughafen: Hier ließ sich einfach ganz vortrefflich von der weiten Welt träumen. Wir malten uns gegenseitig aus, was alles noch so kulinarisch in der Welt zu entdecken sei.
Auch eine Art der Fortbildung....;-))

Auch beim Lehrpersonal gab es einiges zu entdecken:
War ich von der Passage meistens etwas gesetztere Checker gewöhnt, kam unser Prüfer für den abschließenden Simulator-Check etwa mit folgendem Kommentar in das Briefing:
"Entschuldigt die Verspätung: Jetzt bin ich doch mit der Ducati am Wochenende noch am Hockenheimring gewesen und habe die Rennübersetzung noch nicht gewechselt, da rennt sie schon bei 230 km/h in den Drehzahlbegrenzer, da habe ich es einfach nicht mehr pünktlich geschafft..."

Nachdem wir die notwendigen Simulatorschichten hinter uns hatten, kam "endlich" das Landetraining, aber dazu später mehr...

Abschied von der "Passage"

Fünf Jahre habe ich als Copilot auf der B737 zugebracht und habe dort die Kurzstrecke und Passagierfliegerei sehr genossen!

Irgendwann kam jedoch der Gedanke auf, daß ich vielleicht auch einmal die Langstrecke gesehen haben sollte (vielleicht, auch wenn ich mir das öffentlich sicher nicht eingestehen wollte, auch einfach nur um mal mitreden zu können im Konzert der Kapitäne und der Kabinencrew, die mir immer lang und ausführlich von Ihren Layover-Geschichten aus fernen Orten erzählten....).

Gleichzeitig sah ich einen Aushang in der Firma, der ein Angebot enthielt, für drei Jahre als Copilot zur Frachtabteilung zu gehen, da gerade dringend Leute benötigt wurden.

Hier ging dann die Abenteuerlust mit mir durch (Einige erinnern sich vielleicht an die vielen Geschichten von Antoine de Saint-Exupery aus seiner Postfliegerzeit? Soetwas in moderne Zeiten übersetzt geisterte durch meine Idealvorstellungen....;-)).

Also angemeldet und schneller als gedacht rückte mein letzter Umlauf als Copilot B737 nahe.

Die Einsatzplanung war mir sehr wohlgesonnen und wollte mir den Abschied von der Kurzstrecke anscheinend besonders schwer machen:

Ich bekam einen wunderschönen Umlauf mit einem Tag frei im sommerlichen Helsinki! Erklärend anfügen muss ich vielleicht noch, daß freie Tage vor Ort etwas wirklich seltenes auf der Kurzstrecke sind!

Wir kamen also abends in Helsinki an und, wie es sich für einen Abschiedsumlauf gehört, lud ich "meine" Crew für den Abend ein.
Leider kamen wir erst gegen 0100 Uhr Ortszeit im Hotel an, und die einzige noch offene Kneipe war das "Zetor": angeblich gegründet von den Leningrad Cowboys steht das gesamte Restaurant voll mit alten Traktoren der Marke Zetor, an denen dann das hauseigene Dunkelbier ausgeschenkt wird.

Es wurde ein wunderschöner Abend mit "Wein, Weib und Gesang", wobei für den Gesang in mehr oder minder stimmfester Weise hauptsächlich die finnische Gästeschaft des Lokales sorgte....;-)

Der nächste (freie) Tag begann somit erst spät: Es gab strahlenden Sonnenschein und die Bevölkerung Helsinkis holte alles nach, was sie vermutlich in den Monaten des langen und strengen Winters bisher veräumt hatte: Die Straßen waren voll von Menschen, die Straßencafés übervoll und überall gab es gute Straßenmusik!
An solchen Tagen kann ich die Beschwerden der Kolleg(inn)en über Helsinki kaum nachvollziehen...;-).

Nach einem ausgiebiegen Bummel und einem guten Stück Kuchen schloss sich noch eine Schifffahrt (wird das jetzt mit drei, oder doch nicht???) durch die Helsinki vorgelagerten Inseln an während der ich von allen Seiten für meinen Entschluss bedauert wurde:

Kapitän: "Hmmm, MD11, das ist fliegerisch ne' richtige 'Diva'... Die macht nur 'Zicken'..."

FB: "Auf der Fracht, da kriegst Du ja dann gar kein Essen mehr von uns...."

(Wie es dann hinterher wirklich aussah, dazu später mehr...)

Leider ging es dann nach der Schiffsreise wieder früh zu Bett (ganz im Gegensatz zum Abend vorher....), schließlich ging es am letzten Tag der Tour früh aus Helsinki wieder fort gen Heimat.

Dort angekommen war ich noch in die Abschlussarbeiten nach meiner letzten Landung vertieft, als sich der Kapitän bereits aus dem Cockpit entfernte.

Nachdem auch ich fertig war, trat ich durch die Cockpit-Tür in die Kabine und war fürbass erstaunt, als mir von der versammelten Crew ein Tablett mit Sekt und selbstgebackenem Kuchen (erst wer die kargen Möglichkeiten einer Flugzeuggalley kennt, weiß zu ermessen, wieviel Mühe und Aufwand es kostet, dort einen Kuchen zu fabrizieren!) zum Abschied gereicht wurde!

Der Abschied fiel mir in diesem Augenblick wirklich schwer!!!!

Was die Fracht so alles macht....

Lange Zeit habe ich in den Blogs von Frau Klugscheisser oder Herrn NFF gelesen und immer wieder interessante Einblicke in die Welt der Passagierfliegerei gesehen.

Nachdem ich nun im letzten Jahr von eben jener Passagierfliegerei für drei Jahre "zur Fracht" gewechselt bin, tat sich für mich eine neue Welt auf, die ich selbst als fliegerisch Eingeweihter noch nicht kannte. Aus dieser Welt möchte ich hier einfach mal berichten.

Leider bin ich noch nie eine schriftstellerische Leuchte gewesen und werde es sicher auch nie werden, trotzdem würde ich mich über Anregungen, Berichtigungen und Kritik sehr freuen!

Also: Herzlich Willkommen in meinem ersten Blog: "Alles lacht, hier kommt die Fracht"

Golfox